Eine lang ersehnte und lange geplante Reise musste ich wegen Corona absagen. Stattdessen habe ich drei Wochen lang eine organisierte Motorradtour durch Island gemacht und war total fasziniert von dem Land und seinen Naturgewalten.
Text: Jochen Hiller, Bilder: Jochen Hiller, Barbara Scholz, Robert Scholz
Dieser Artikel erschien auch in der Motorrad Regional 02/2021, siehe den Artikel auch hier.
Island - nichts für Weicheier
Die Reisevorbereitungen für meine 4-monatige Reise 2020 in die Mongolei waren fast abgeschlossen, Motorrad, Ausrüstung, Versicherungen, Visa. Plötzlich hatte sich die Corona Pandemie weltweit ausgebreitet und alle Grenzen auf dem Weg in die Mongolei waren dicht.
Überraschenderweise hatte ich die Möglichkeit, mit Freunden an einer organisierten dreiwöchigen Motorradtour durch Island teilzunehmen. Wir, das sind: Petra, Ingo, Robert, ich (Jochen) mit den Motorrädern, Thomas und Barbara mit einem Begleitfahrzeug. Zwei von uns sind mit dem Flugzeug nach Reykjavík geflogen, wir anderen sind mit den Motorrädern und dem Begleitfahrzeug auf dem Land-/Seeweg nach Island gekommen. Nach 1200 km auf Autobahnen und gemütlichen dänischen Landstraßen trafen wir uns in Hirtshals/Dänemark und nach zwei Tagen auf der Fähre mit teilweise heftigem Wellengang kamen wir am Donnerstagmorgen in Seyðisfjörður/Island an.
Der erste Tag hat super angefangen: Es war trocken und wir sind die ersten Offroad-Passagen gefahren. Mein persönliches Highlight war eine Bergüberquerung mit Trial-ähnlichen Abschnitten. Für 10 km haben wir mehr als eine Stunde gebraucht, in der wir uns gegenseitig geholfen haben, die Mopeds über losen Schotter und tiefe Erdrutsche den Berg hoch zu quälen. Wir fuhren weiter in Richtung Südwesten und hielten auf einem Campingplatz bei Höfn. Bei schönem Wetter bauten wir unsere Zelte auf, aßen typisch isländisch und gingen bei auffrischendem Wind schlafen.
In der Nacht fegte ein Orkan mit Windstärke 10 über den Platz und wir mussten nacheinander die Zelte abbauen. Fazit der Nacht: 3 Motorräder vom Winde verweht, Hebel gebrochen, Zeltstangen ziemlich verbogen, keiner hatte geschlafen und alle waren ziemlich am Ende. Wir legten spontan einen Reparatur-/Erholungstag ein, hatten ein festes Zimmer und konnten wieder etwas durchatmen. Die Straße weiter nach Westen war wegen des Sturms gesperrt, wir wären sowieso nicht durchgekommen. Die weitere Reiseplanung wurde nun mit dem Wetter und der Windvorhersage (App RoadWeatherIceland) abgeglichen.
Auf dem Weg nach Westen passierten wir den größten Gletscher Islands, den Vatnajökull, und machten eine beeindruckende Fahrt mit einem Amphibienfahrzeug über den Gletschersee. Der Guide konnte viele Details über den Gletscher erzählen, der sich mittlerweile 8 km ins Landesinnere zurückgezogen hat. Klimawandel live! Das Wetter war typisch isländisch: Starker Regen, richtig kalt und immer starker Wind. Leider wird uns das auf unserer Tour die meiste Zeit begleiten.
Am Abend waren wir in einer sehr großen und gemütlichen Hütte in Hólaskjól im Landesinneren gelandet. Kaum angekommen, ging es auch schon los mit einer Wanderung zum nächstgelegenen Wasserfall, der als Besonderheit keinen Namen hat. In dieser traumhaften Gegend glaubt man sofort an isländische Elfen und Trolle, so märchenhaft ist die ganze Umgebung. Wir haben übrigens fast jeden Tag einen Wasserfall besucht und jeder war noch beeindruckender als der vorherige.
Am frühen Morgen ging es weiter in die berühmte Eldgjá-Schlucht. Die Wanderung zum Wasserfall in der Schlucht führte durch eine unwirkliche Landschaft, die umso beeindruckender war, da wir keine Menschenseele trafen. Nach der Übernachtung in einem sehr schönen Hotel fuhren wir weiter ins Landesinnere zur Hekla, dem größten Vulkan Islands.
Nach einer Übernachtung in einer tollen Hütte in Rjupnavellir ging es am sechsten Tag komplett offroad nach Landmannalaugar, einem der Höhepunkte der Tour. Wir hatten die ersten Wasserdurchfahrten vor uns, alles klappte, aber es erforderte Aufmerksamkeit und etwas Mut. Und so kam es, wie es kommen musste: An der letzten, in isländischen Kreisen berüchtigten Furt kurz vor dem Ziel stürzten Ingo und ich im tiefen Wasser. Ich hatte Glück: durch den GS Boxer lag ich schräg, das Wasser konnte nicht in den Motor/Luftfilter eindringen. Ingo legte seine F800 GS etwas tiefer ins Wasser. Wir waren die nächsten Stunden damit beschäftigt, den Motor wieder trocken zu bekommen. Am nächsten Tag musste Ingo in Reykjavik sicherheitshalber noch einen Ölwechsel machen lassen (kostete ihn inklusive Kaffee 700 Euro).
Nach der Reparatur des Motorrads haben wir dann doch noch die heißen Quellen genossen und eine verkürzte Wanderung durch die Berge gemacht.
Nach dem anstrengenden Offroad-Tag fuhren wir in Richtung Reykjavik. Auf dem Weg kreuzten wir die Sehenswürdigkeiten des sogenannten "Golden Circle", den Gullfoss Wasserfall, Geysire, Þingvellir, den Gründungsort Islands.
Unterwegs konnten wir einen kleinen Abstecher zu einem schwarzen Sandstrand machen. Das Fahren im tiefen Sand war wirklich anstrengend, der Reifendruck zu hoch (ich fuhr mit ca. 1,9 bar), mein Tankrucksack störte und ich war einfach zu langsam. Nachdem ich mich zweimal im Sand festgefahren hatte, musste mir Robert helfen, wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen. Sandfahrten bleiben also auf meiner Liste!
Von Reykjavik aus sind wir um die Halbinsel Reykjanes gefahren. Für den einen oder anderen vielleicht interessant: Hier liegen die Kontinentalplatten nur wenige Meter auseinander. An diesem Tag hatten wir Glück mit dem Wetter, es hat einen halben Tag nicht geregnet und nach ein paar Sonnenstrahlen am Meer durchquerten wir die Blaue Lagune mit der beeindruckenden Farbe des mineralhaltigen Wassers. 10 km weiter brach vor kurzem der Vulkan Fagradalsfjall aus, dessen beeindruckende Bilder in den Medien zu sehen waren.
Von der Halbinsel ging es weiter nach Norden in die Westfjorde, den am dünnsten besiedelten Teil Islands. Die Corona-Pandemie hat dafür gesorgt, dass es an allen Sehenswürdigkeiten kaum Touristen gibt. Die zum Teil riesigen Parkplätze waren fast leer und man möchte sich nicht vorstellen, wie viele Touristen sonst hier unterwegs sind.
Auf dem Weg in die Westfjorde sah man immer weniger Menschen, die Straßen sind fast alle Schotterstraßen und die Mopeds und wir waren jetzt Endurogerecht richtig "dreckig". Danach genossen wir unsere Unterkunft mit Swimmingpool und Außenwhirlpool, beides gespeist aus einer heißen Quelle in Sichtweite.
Nun ging es zum westlichsten "Zipfel" Islands, dem Látrabjarg. Dort konnten wir Puffins, die berühmten Papageientaucher, beobachten, wie sie ihre Nester anflogen.
Widerwillig verließen wir die Puffins und fuhren durch die Berge der Westfjorde nach Hólmavík. Wie immer "beschissenes" Wetter, fast Graupelschauer. Die Pässe waren zwar frei, aber es gab heftige Windwarnungen. Trotzdem genossen wir die Straßen und die herrliche Aussicht. Nach unserer Ankunft aßen wir direkt gegenüber der Pension leckeren Fisch und tranken leckeres lokales Bier. Essen und Trinken ist in Island gut, aber für unsere Verhältnisse sehr teuer, vor allem der Alkohol.
Von Hólmavík aus fuhren wir entlang der Fjorde zurück in Richtung Osten nach Eyjafjörður, einem Fjord, in dem man Wale beobachten kann. Auch hier gab es Whirlpools im Freien, direkt am Strand, die von heißen Quellen gespeist wurden. Wir waren ein paar Minuten im Meer, aber es war eiskalt. Danach brauchte ich unbedingt noch ein Foto von mir in Dalvik, einer kleinen Stadt 5 km nördlich (Insider-Witz für Android-App-Entwickler: Von meinem iPhone ein Bild von Dalvik).
Nach einer mehrstündigen Whale-Watching-Tour, bei der wir Delfine und Buckelwale sehen konnten, fuhren wir weiter nach Akureyri, der zweitgrößten Stadt Islands. Eine wirklich nette Stadt, mit guten Einkaufsmöglichkeiten und Restaurants, ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Nach einem kurzen Einkaufsbummel sind wir dann über den Wasserfall Goðafoss zum Mývatn, einem wunderschönen Natursee, gefahren. Mývatn heißt auf Deutsch Mückensee. Und genau so war es auch: Schwärme von Mücken haben einen richtig überfallen, alleine hätte ich nach 10 Minuten die Flucht ergriffen. So aber blieben wir in der Gruppe auf dem Campingplatz und ertrugen die Plage stoisch. In der Gegend um den Mývatn ist auch der Untergrund sehr aktiv, es blubbert und dampft überall aus dem Boden, bis hin zu kleinen Geothermiekraftwerken.
Vom Mývatn fuhren wir am vorletzten Tag durchs Landesinnere zurück nach Seyðisfjörður. Dort war es einfach wunderschön, man sollte sich genügend Zeit dafür nehmen. Nachdem wir alles für die Fähre gepackt hatten, gab es ein leckeres Abschiedsessen und nach einer kurzen Nacht checkten wir am nächsten Morgen auf der Fähre ein. Dort verbrachten wir einen lustigen Abend mit Itchy Boots, der bekannten Videobloggerin Noraly, die zur gleichen Zeit wie wir in Island war. Ihre Videos sind super schön und interessant, man sollte sie sich ansehen.
Nachdem wir gegen Mittag in Hirtshals angekommen waren, trennten sich unsere Wege. Zuerst wollte ich auf dem Heimweg noch übernachten, aber nachdem mein Navi eine Ankunftszeit von 02:30 Uhr errechnet hatte, entschied ich mich durchzufahren. Tatsächlich war ich nach 1200 km Autobahn am Stück um 03:00 zu Hause. Ich glaube, ich bin bereit für eine Iron Butt/"Eisenarsch"-Tour, 1600 km in 24 Stunden. Mit diesem super komfortablen Dickschiff R1200 GS Adventure ist das machbar.
Fazit
Island war eine super Motorradtour. Ein ideales Terrain zum Offroad fahren, egal ob Schotter, Bergpassagen, Wasserdurchfahrten oder Sandpassagen. Ich würde sofort wieder hinfahren und mehr Zeit mit dem Zelt im Landesinneren verbringen. Die Natur in Island ist großartig, aber: nichts für Weicheier. Dauerregen, Kälte, Sturm. Da wird einem als Motorradfahrer schon einiges abverlangt, aber man wird mit überwältigenden Eindrücken reichlich entschädigt. Ich habe auch gelernt, dass das Reisen in der Gruppe manchmal einengend sein kann und freue mich umso mehr auf die Tour allein durch die Mongolei.
Reisedaten
- Start: Neu-Ulm/Pfuhl
- Tour: Rundreise um Island und ins Landesinnere
- Länge: 5.500 km Landweg
- Reisedauer: 3 Wochen
- Besonderheiten: Organisierte Reise in Kleingruppe
- Wetter: 11/14 Tage regnerisch, kalt, sehr windig
Tipps
- Auf jeden Fall durchs Landesinnere fahren
- Offroad: je leichter das Motorrad, desto einfacher
- Wandern, Naturschauspiele genießen
Informationen
- Video-Blog: Itchy Boots, https://www.youtube.com/playlist?list=PL8M9dV_BySaVSYGddfdpy4D6G12nixSXI
- Svendura Enduro Blog: https://www.svendura.de/2018island01.php
- Reiseführer: Reise Know-How Reiseführer Island und Färöer-Inseln
- Buch: Wo die wilden Frauen wohnen: Islands starke Frauen und ihr Leben mit der Natur